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Bitte sprechen Sie mir nicht den Tod! oder: Sex sells?

Ein Fazit meiner Art des Arbeitens besteht darin,  dass kein Werk dem anderen ähnelt, weder im Ton noch im gewählten Sprachduktus. Was passionierte Leser/innen meiner Prosa stets aufs Neue erstaunt. Ergänzend sei hier hinzugefügt: Mit jener so gerne von Kritiker/innen konstatierten Meldung ›sie hat ihre Sprache gefunden‹ würde man in meinen Augen über lebende Literat/innen ein Todesurteil verhängen. 

Gerne möge man mir jedoch nachsagen, Schachingers Werke sind stets akribisch genau verfasst, spannend zu lesen, eine Herausforderung auch, Mehrwegliteratur mit gekonnt gesetzten Leerstellen, mit ihnen lässt sich eine Welt entdecken … 

Aber bitte nicht: ›Sie hat ihre Sprache gefunden‹. Erstens möchte ich sie davor nicht verloren haben. Und zweitens müsste ich danach verstummen, denn mich persönlich interessiert es nicht die Bohne, siebzehn Romane im gleichen Ton zu fabrizieren. Darin sehe ich keine Herausforderung; und es würde mich als Leserin auch überaus langweilen, wüsste ich vor dem Öffnen des Buchdeckels, was darin zu finden ist.  Ähnlich verhält es sich mit den thematischen Inhalten meiner Arbeiten:Es interessiert mich nicht, Gleiches oder Erzählinhalte thematischer Nähe nochmals auszugestalten. 

Ebenso wenig mag ich meine Themen, meine Sprache, mein Strukturmittel nach Publikumsgeschmack, Gefälligkeit oder Marktchancen auswählen. (Möglicherweise sollte man dieser Unfähigkeit ein ›Leider!‹ hinzufügen? Vielleicht auch nicht.) 

Denn ich bin überzeugt, jede Literatin, jeder Literat sollte das Buch schreiben, welches er oder sie lesen will. Alles andere ist zum Scheitern verurteilt. Außerdem bin ich eine überzeugte Anhängerin des Wagnerschen »Meistersinger«-Statements: »Der Kunst droht allweil Fall und Schmach, läuft sie der Gunst des Publikums nach.« 

Das, werte Damen und Herren, heißt jedoch keinesfalls, dass mir meine Rezipient/innen  schnuppe sind! Sondern ich habe meine Zweifel, ob sich analysieren und herausfiltern sowie alsdann planbar umsetzen lasse, was derzeit gerade in der Gunst des Publikums in allen Himmeln rangieren könnte. Ich habe auch meine Zweifel, ob dies die Rolle einer Literatin, eines Literaten ist, Publikumserwartungen sei es im Werk oder auch als öffentliche Person in der Lesungsperformance zu bedienen: Verständnisvolle BestFriendForever, immer frohgemute Alleinunterhalterin, sexy Hasi für feuchte Träume und intellektuelle Herausforderung, Pferdestehlen und Wichsvorlage – habe ich etwas vergessen, dass man mir in zwanzig Jahren offerierte?  Hätte ich all das zu erfüllen, ich würde in schöner Schizophrenie hinter dem Lesetisch sitzen. Man möge mir also gestatten, ich selbst zu sein, und ich werde – wie jede Frau – hochhackige Schuhe und Sneakers tragen, den Minirock gegen Jeans tauschen, je nachdem, wonach mir ist. Vertraglich zu einer gewissen (Ver-)Kleidung verpflichten? – lasse ich mich nicht. 

Oftmals werde ich nach Auskunftgabe meines Berufs »Was schreibst du?« gefragt, und mit hoher Wahrscheinlichkeit sowie Blick auf mein Geschlecht wird sogleich das Wort »Liebesromane?« nachgeschoben, insbesondere von männlichen Zeitgenossen. Verneine ich alsdann und weise darauf hin, dass mich philosophische wie politische Themen weitaus mehr reizen, entsteht zumeist ein Dialog über jene … – lassen Sie uns hier noch einmal kurz innehalten, nachdenken: Nein. Nein, ich glaube nicht, mich daran erinnern zu können, dass mich je eine Frau fragte, ob ich Liebesromane schriebe. Es bot mir auch keine Frau an, mich als Literatin zu fördern, schliefe ich mit ihr. Und keine Kollegin, mit der gemeinsam ich einen Auftritt bestritt, erhielt eine höhere Gage, weil sie eine Familie zu erhalten habe, und man bei mir – wider die Realität und unhinterfragt – davon ausging, dass dem nicht so sein könne. Honorarnote gefaltet und Geld ins Portemonnaie: Exkurs beendet.   

 

Sex sells & die Frage des Überlebens

 

Gestatten Sie mir zur Frage des Echos noch einen Gedanken hinzuzufügen: Blättere ich in deutschsprachigen Literaturmagazinen fällt eines vehement auf: Sie sind auffallend mannvoll; obgleich mehr Frauen als Literat/innen tätig sind. Wird irgendwo eine Photostrecke, Homestory publiziert, wird die Erotik einer jungen Kollegin besungen. Ihr Werk, die Schönheit ihrer Sprache, die Klugheit ihrer jüngsten Publikation hingegen kommt – falls! – am Rande vor. Soll sie sich so als etablierte Literatin fühlen? Wenn die Besprechung, die sich großspurig Rezension nennt, hauptsächlich ihre Fähigkeit auf High Heels zu spazieren fokussiert?  Ist das ein Kriterium der Literaturkritik geworden – sollte ich da seit Abschluss meines Studiums etwas verpasst haben? Wieso will man überhaupt unser Privatleben hervorzerren, was erzählt uns diese über unsere Gegenwart, und weshalb spielen derart viele Kolleginnen mit? 

Begegnet man meiner Verweigerung diverser Homestories und ähnlicher zeitgenössischer Dummheiten mit »Sie brauchen sich doch wahrlich nicht zu verstecken!«, weiß ich, dass man nichts verstanden hat – oder aus Voyeurismus nichts verstehen will. Diesen jedoch zu bedienen, interessiert mich nicht. Ich spreche meiner Arbeit eine Reduzierung auf mein Geschlecht ab.