Die Frankfurter Buchmesse zählt für mich nicht zu den Highlights des Jahres; mir ist die vertrautere Atmosphäre Leipzigs lieber als dieser Massenbetrieb, bei dem ich oft den Eindruck habe, es gehe höchstens am Rande um die Literatur an und für sich.
Nicht nur die Freund*innen der Manga-Literatur fallen diesbezüglich auf, die Anzahl der Non-Book-Buden scheint mir jährlich zu steigen.
Ich stehe wieder im Innenhof, trinke meinen zweiten Morgenkaffee. Neben mir blickt eine Ausstellerin zu den Manga-Fans hinüber: Ob ›es‹ wirklich so sexualisiert sein müsse, fragt sie ihren Begleiter. Lenkt unser aller Blick auf junge Frauen, die wie kleine Kinder in knappen Röckchen, Söckchen und Schühlein stehen, gepaart mit aufreizenden Strümpfen, Höschen, Schwänzchen. Es ist nicht bloß eine übersexualisierte Welt, mir dünken auch die möglichen Rollen der Frauen und ihre Attribute eher begrenzt.
Eine Journalistin eines regionalen TV-Senders spricht die Truppe mir gegenüber an. Ob sie diese Cosplayer*innen interviewen dürfe, erkundigt sie sich. Man nickt. Sie post in der Mitte in goldbrauner Lederkluft, umgeben von den Girlies, deren eines Bein sich von einer Sekunde auf die andere einknickt, die Hüfte wird gedreht, der Kopf geneigt. »Welche Charaktere seid ihr?« Die Geduld reicht gerade für zwei Nennungen. Dies war das Interview. Aha.
Kaum betrete ich Halle 4, preist neben mir eine junge Vertreterin ihren nach dem biblischen Giganten benannten Verlag samt seinem Frauenbild im Dialog mit einem Mann an.
Gegensätze ziehen sich in der gesamten Halle 4 an, sie positionieren sich nebeneinander, bilden Kontraste: Rosa Luxemburg wird flankiert von der Goldsuche – das Zitat im Hintergrund der Aktion ›Gewinnen Sie doch Ihre Goldbarren! [Erwirtschaften werden Sie diese ohnehin nie.]‹ verführt mit dem Hinweis, natürlich mache Reichtum nicht glücklich, andere Werte seien es, die zählen – wie Freundschaft oder Respekt, aber – so suggeriert die goldene Welt – erst wenn die Finanz gesichert sei, wäre auch ein Einsatz der Barschaft für das Wesentliche wie Gesundheit, Liebe und Freiheit möglich. Wahrlich, alles lässt sich verdrehen, sucht man nach einer Gasse in der Argumentation! Ich bin dankbar, dass zwei Schritte weiter den Besucher*innen Antiidiotikum zur Einnahme empfohlen wird.
Eine junge Frau beteiligt sich an der Aktion German Stories: Mittels Schreibmaschine sollen Kurztexte, Miniaturen oder Reflexionen zur deutschen Historie notiert werden. Mühsam sucht sie sich in dem ungewohnten Umfeld die Buchstaben zusammen, das nötige feste Drücken der einzelnen Tasten ist kaum geläufig und daher reizvoll.
Zahlreiche österreichische Verlage haben sich heuer gegen eine eigene Teilnahme und für Gemeinschaftsstände entschieden. An der Bude der IG Autorinnen Autoren erfahre ich, dass dieser Posten auch in ihrem Jahresbudget zur Vertretung der österreichischen Verlage seit rund 10 Jahren nicht erhöht wurde. Die unterstützende Finanzierung ist somit keineswegs für die Zukunft gesichert, da Buchmessen ihre Tarife sehr wohl und großzügig erhöhten. Nicht zuletzt die Buch Wien! Zumindest sei dieser Anstieg der Standgebühr in Österreich noch ein Argument, welches Gehör fände, würde den Fördergeldgebern mitgeteilt, dass infolge der Diskrepanz zwischen Subvention und Tariferhöhungen seitens der Messe eine Teilnehme unmöglich sei …
Zufällig – ja, bei der Überfülle an Ständen, Büchern, Initiativen, Waren und Selbstdarsteller*innen kann es nur Zufall genannt werden, dass ich mit zwei jungen Frauen ins Gespräch komme: Ihr Start-up nennt sich »Der wachsende Kalender«: Aquarellierte Kalenderblätter, Spruchkarten oder Mini-Mitbringsel erzählen nicht bloß von hochwertigem Papier und einem gewissen Witz, sie verbergen in sich auch Samenkörner und nötige Hinweise, was zu tun sei, damit diese wachsen und gedeihen können … Eine feine Idee, die Sie übrigens auch zur Teilnahme an Ihrem Weihnachtsmarkt einladen könnten!
Apropos Weihnachten: die Karten sind auch famose Lesezeichen als Beigabe zu Buchgeschenken!