elke laznia »Lavendellied«. Oder: Das Glück in zehn Sätzen

Ein schmaler Band, »Lavendellied«, in Kleinbuchstaben steht elke laznia darüber, weißes Cover, unten links ein Blütenaquarell. Ich werfe einen Blick auf den Textkörper und bin gefangen. An den »Müry Salzmann Verlag« schreibe ich meine Bitte um ein Rezensionsexemplar, tauche danach Nacht um Nacht in diese Einblicke ein, in aller Ruhe, will genießen, was sich da vor mir in zehn Landschaften ausbreitet – Großmutter und Enkelin, ein eigenwilliges Bäumchen und ein Haus, Mutter und Töchter, die Zeit, in der ein Leben zu führen gewesen wäre, und die Zeit, welche gelebt wurde, die Zeit, da es endete.

Einblicke, ja; keine Kurzgeschichten, keine Erzählungen, nicht was man sich gemeinhin darunter vorstellt, das wird einem sogleich bei der Lektüre des Mottos klar, welches auf Marguerite Duras verweist: eine Geschichte erzählen heißt immer auch das Fehlen einer Geschichte zu erzählen, das Inexistente, das Mögliche, das Ersehnte. Oder um es in Elke Laznias Worten zu sagen: »[…] ich möchte keine Geschichte erzählen, möchte gar nichts erzählen, nichts sagen, nur manchmal mit den Händen oder dem Körper oder nur mit einem Blick ein Bild malen, einen Moment, und den dann hinstellen, ohne Erklärung […]« (S. 98). Dies bedingt aber auch eine andere Prosa, lyrisch, könnte man sie nennen, würde einen diese Beschreibung nicht eine all zu holprige Krücke dünken, zu ungenau ist der Terminus.

Jeder Einblick beginnt mit wenigen vorangestellten Zeilen, in denen jedwede Interpunktion fehlt, eine inhaltliche Einstimmung auf das zu Erwartende: »wir tragen einander Worte durch den Wind stellen uns quer stellen uns um und wenn wir können richten wir uns gerade falten unsere Schultern auf […]« Alsdann folgt ein Satz – mag er zehn Seiten oder eine dauern, ein Satz, der seinem eigenen Rhythmus folgen darf, indem sich jedoch alles auf maximal zwei Ebenen nebeneinander stellt, da er nur das Komma und den Absatz kennt, ein Satz, der in die Nähe der Litanei rückt, und dennoch organisch wächst, sich ausbreitet, sodass an seinem Ende angelangt eindeutig der Befund angebracht ist: nur so konnte dies erzählt werden, nur in diesem Rhythmus, nur in dieser Art und Weise. Wer sich darauf vorbehaltlos einlässt, wird mit der Schönheit der Sprache belohnt. Dass sich einem in wenigen dieser Sätze das Du entzieht, es an eindeutiger Klarheit mangelt, tut wenig zur Sache, nicht Vollständigkeit will angestrebt werden, sondern das langsame Gleiten des Blicks über eine Bildlandschaft. Auch nicht, dass aufgrund des rückwärts gewandten Blicks und des in manchen Passagen zu fragilen Ichs einem der Verdacht kommt, es sei ein wenig zu tränenreich, dies Leiden an der Welt, es sei zu sehr ein Abschiedsgesang, lege den Fokus seines Blicks ausschließlich auf dieses eine Lebenselement. Man harre des Schlüssels im zehnten Satz, der mit dem ersten – und schönsten, weil vielschichtigsten – einen Rahmen bildet.

Es ist ein Werk, das in Abschnitten genossen werden will, langsam und bewusst, wie der wahrnehmende Blick über eine Landschaft schweift, wie exzellenter Single Malt, wie ein Gemälde, es will beiseite gelegt und wieder aufgenommen werden, damit sich einem ob der Dichte darin nicht der Gehörgang verstopfe –  jeder Satz in diesem »Lavendellied« bedarf der Ruhe der Zeit, damit er sich entfalten kann, und belohnt einen dafür, gewährt man ihm dies.