Die Zeit der Lichter setzt sich für mich fort in den erleuchteten Fenstern in meinem Dorf: Hier ein Stern, dort eine Schwibbogen-Szenerie – das ganze Dorf wird an den 24 Tagen des Advents zum szenischen Kalender. Womöglich ist heute ja ein guter Tag, um einen besonderen Raum aufzusuchen, dort eine Kerze anzuzünden, sei es an einem vertrauten Ort, sei es ein Teelicht am Fluss oder vielleicht in einer Kirche?
Diese Zeit der Lichter geht über in den Advent, eine Zeit des Erinnerns an die Sehnsucht nach allem beglückend Hellen und nach ›Ankunft‹, endlich. Eine Zeit also, die sich auf eine Zukunft hin orientiert und die dennoch weder Gegenwart noch Vergangenheit vergisst. Vergangenes will bedacht und verabschiedet werden, Gegenwärtiges soll im Innehalten Raum bekommen, und die Zukunft will gestaltet sein.
Für mich sind diese Tage auch mit der Kindheitserinnerung verbunden, wie Licht um Licht entzündet wird, während sich alle Zeit nehmen, um zusammen zu sein, miteinander zu musizieren, zu singen. Oder um sich gemeinsam feine kleine Überraschungen für andere Menschen auszudenken, diese zu basteln, zu werken, zu zeichnen, zu schreiben, zu backen, zu dörren, zu stricken, zu tischlern oder zu nähen … Oder um Süßes für die Festtage vorzubereiten, wenn Freunde und Familie zusammen kommen. Nichts davon mag perfekt sein, vieles wäre wohl günstiger irgendwo zu kaufen, mit weniger Zeit, weniger Geld, aber dies miteinander Tun – und manchmal auch voreinander verbergen –, während die Gedanken um die zu beschenkende Person kreisen, langsam Ruhe in eigenes Sein einkehrt, das ist für mich der Kern dieser Wochen und der Grund, weshalb ich mir – aller Hektik und Arbeit zum Trotz – seit einigen Jahren im Dezember die Freiheit nehme, jedem Tag eine Stunde oder zwei zu klauen: Abends meist, eine Kerze anzünden, eine Stunde für mich sein, um nachzudenken, eine Stunde für andere, um ihnen eine Überraschung zu bereiten. Natürlich gelingt das bei vollen Terminkalendern nicht täglich, aber ich versuche es. Das ist wichtiger als ein erfülltes Plansoll. Vielleicht ist gerade gegenwärtig auch die Zeit, sich dafür eine Auszeit zu nehmen?