Inhaltlich sind beide Titel berechtigt, legen den Fokus aber auf unterschiedliche Teilaspekte. Erzählt wird die Geschichte eines Dreiecks – mehrheitlich aus Sicht des jungen Ehemannes Alain: Nach seiner Heirat mit Camille zieht das junge Paar wegen Umbauarbeiten am Familienwohnsitz in eine Wohnung im 9. Stock – vorerst ohne Saha, Alains viel geliebte blauschwarze Kartäuserkatze. Saha magert jedoch zusehends ab, sodass Alain sie schließlich doch zu sich holt, obgleich sie ihr nur Balkone statt eines Gartens anbieten können. Camille und Saha, die zuvor bereits Rivalinnen waren, buhlen nun verstärkt um Alain, bis Camille eines Tages die Katze absichtlich von der Balkonbrüstung rempelt. Wie durch ein Wunder überlebt Saha den Sturz aufgrund der aufgespannten Markise am Balkon des zweiten Stocks. Und Alain verlässt Camille, denkt über Scheidung nach.
Dieser recht simple Inhalt wird uns auf eine Art nahegebracht, die uns von Anfang an zum Komplizen, zur Komplizin macht – nicht Camilles, sondern Alains und dies höchst unfreiwillig, so zumindest erging es mir. Denn wir hören wiederholt Alains abwertende Gedanken über seine zukünftige Frau Camille, sodass wir ihn gerne schütteln würden, damit er Vernunft annähme, diese Heirat vergesse. So nötig könne die Familie Amparat, deren Firma sich im Niedergang befindet (S. 109) den Reichtum der Waschmaschinen-Malmerts doch wohl nicht haben, dass mindestens zwei Leben unglücklich werden müssen. Im Gegensatz zu Alain kommt Camille nämlich nicht aus einer ›alten Familie‹, sondern aus jenem neureichen Waschmaschinen-Elternhaus, sodass sie »nicht ganz unser Niveau hat«, wie die Mutter sagt. Und sogar die Katze stößt von Anfang an Warnrufe aus, ist Camille in ihrer Nähe. Camille, die stets etwas zu laut ist und sich zu unverblümt artikuliert, deren Manieren – gemäß Alain – zu wünschen übrig lassen, weil sie morgens nackt aus dem Bett steigt und sich nicht sogleich verhüllt. Vor allem aber ist ihre Haut zu dunkel, obgleich sie nicht in die Sonne geht, und ihr Haar zu schwarz, zu kraus, verglichen mit dem seidig weichen Fell der Kartäuserkatze.
Was nie explizit erwähnt wird, ist die Vermutung, die Lesende schnell selbst ziehen: Offenbar hat Camille dunkelhäutigere Ahn*innen – eventuell aus den Kolonien; wie die Autorin selbst: Colettes Großvater mütterlicherseits stammte aus Martinique und kam durch Handel zu Reichtum. Colettes Mutter Sido wuchs nach Übersiedelung der Familie in Belgien auf, bevor sie mit einem Alkoholiker in der Bourgogne verheiratet wurde, der ein großes Weingut besaß und sich zu Tode soff. Colette selbst ist ihr viertes und jüngstes Kind.
Doch zurück zu Camille, Saha und Alain: Saha – ein Vorname arabischen Ursprungs, der ›Gesundheit‹ bedeutet! – ist blauschwarz, was die Assoziation ›blaues Blut‹ weckt, dem das blauschwarz getönte Fell gegenübergestellt wird. Gleich zu Beginn des Romans wird außerdem ihr edler Charakter, ihre Eleganz unterstrichen und obendrein Alains fliehen in Nachtträume, die Saha stets begleitet, unterstrichen.
Alain ist nicht fähig, einen Menschen zu lieben, der ihm gleichgestellt wäre; seine Katze aber vergöttert er, auch weil sie ihn nicht in seinem Alltag stört, sondern eigenwillig ihrer Wege geht. Er tituliert sie sogar als Mensch, der mit ihm spricht. Er kaufte sie»ihrer frühreifen Würde, ihrer Bescheidenheit und ihrer Hoffnungslosigkeit hinter den Gittern eines Käfigs« (S. 27) wegen. Und noch ein Hinweis sei an dieser Stelle platziert: Die sexuellen Akte des jungen Ehepaares brauchen stets vorher einen Spannungsaufbau im Zank, der in der Unterwerfung der Frau zu enden hat. Nachher kann Alain ihre physische Nähe nicht ertragen, sondern tauscht sie gegen diejenige der Katze. Die unüberwindbaren sozialen Schranken in der französischen Gesellschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts sind von Beginn an Thema, sodass es einen wenig überrascht, wenn sich Camille final mit dem »kleine[n] Dorfmädchen, das mit dem Sohn des Schlossherrn im Park spielen darf.« (S. 109) vergleicht. Auch eine entlarvende Darstellung des Verhältnisses Dienstboten und Herrschaft gehört dazu, in der sich die Abwertung derjenigen fortsetzt, denen ein Aufstieg gelang. Makellos mag Camilles Teint sein (S. 9), aber er dünkt einen von Erzählabschnitt zu Erzählabschnitt dunkler, während Alain schön, blond und jung (Vgl.: S. 22) bleibt. Ungemein klug wird dieser Kontrast mit winzigen Hinweisen, die da und dort eingestreut werden, forciert. Haut wird relevant, ebenso Berührung, da Alain einzig Katzen zu karessieren versteht, was ihm in einer der Schlüsselszenen sogar eine Ohrfeige Camilles einbringt, weil er ihr den Bauch krault, als wäre sie ein Tier (S. 36). Colette selbst schrieb in »La retraite sentimentale«: »Moi, c'est mon corps qui pense. Il est plus intelligent que mon cerveau. Il ressent plus finement, plus complètement que mon cerveau. Toute ma peau a une âme.« (Bei mir ist es mein Körper, der denkt. Er ist klüger als mein Gehirn. Feinsinniger, vollständiger als mein Gehirn. Meine gesamte Haut hat eine Seele.«) Eifersucht, wie die deutschsprachige Übersetzung titelt, ist deshalb so zutreffend, weil diese Emotion auf alle vier Figuren zutrifft: Camille auf Saha und Saha auf Camille, Alain hütet eifersüchtig seine Nachtträume, die er sich gerne im Erwachen weitererzählt (S. 18), unvorstellbar wäre ihm, dass jemand zu Saha eine solch enge Bindung aufbauen könnte wie er, eifersüchtig hütet er diese Beziehung, und als ihm schwant, dass Camille irgendwann schwanger werden könnte, reagiert er »nervös wie eine Katze« (S. 70) und findet ihre Zukunftspläne »verrück[t]« (S. 71), die sich um sein Elternhaus samt herrlichem Garten ranken, perfekt für ein Kind, wie sie betont (Vgl. S. 71). Er aber hört nur, wie sie »ih[r] Frauenleben« auf den »Trümmer[n] von Alains Vergangenheit« errichtet (S. 71). Und die Mutter küsst und hegt nach dem böswilligen Akt Camilles den unter ihr Dach zurückgekehrten Sohn, obgleich sie zeitgleich einräumt, diese Schwiegertochter – nicht ganz das Gewünschte, »etwas derb, ein bißchen manierlos« – sei aber dennoch »gar nicht so übel«, »diese kleine Malmert« (S. 106).
Und obgleich einen die Tat Camilles entsetzt, können wir sie nachvollziehen, da wir zuvor konstant die abwertende Lieblosigkeit Alains gegenüber Camille miterlebt haben, die in so scharfem Kontrast steht zu seinen zärtlichen Worten Saha gegenüber, seiner Sorge um ihr Wohl, kontrastiert mit seiner Gleichgültigkeit Camille gegenüber. Die junge Frau bringt es auf den Punkt, wenn sie über Alain final sagt, er sei »[d]as Abnormale, das Ungeheuerliche« (S. 112), denn er hätte keine Schwierigkeit, ihr zu verzeihen, hätte ihre Tat einen Menschen betroffen.
Es sind gerade mal einhundert Seiten, die Colette – selbst bekennende Katzenliebhaberin – benötigt, um dieses dichte Psychogramm eines scheiternden Paares mit Bravour in Dialogen und erlebter Rede zu zeichnen. Übrigens, ohne die Leistung der Übersetzerin Elisabeth Roth schmälern zu wollen, empfehle ich die Lektüre im Original, da diese Erzählung sprachlich verhältnismäßig leicht ist, man wohl höchstens die Pflanzennamen wird nachschlagen müssen, denn »La Chatte« verrät auch die Gartenliebe Colettes.
Quellen:
Colette: Eifersucht. Übersetzt von Elisabeth Roth. Originaltitel: La Chatte. Frankfurt a.M.: Fischer Taschenbuch.
Colette: La Chatte. Paris: Livre Poche 2004.
Photo: Colette in Rêve d’Égypte (1907; Photo von Léopold-Émile Reutlinger)