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Gertrude Stein: »Geld«. Oder: Was es darüber zu sagen gibt, wenn das Jahr noch jung ist.

Ich erstand diesen Band Gertrude Steins »Geld« – der Untertitel wegen:

»… mehr über …«,

»Noch mehr über …«,

»Alles über …«,

»Ein letztes über …«: Geld.

Und da ich fand, es sei ein wunderbares Thema für das neue Jahr: Statt die Nerven über leidiger Buchhaltung zu verlieren, Freund*innen bei der Klage über den Einkaufsbon zuzuhören oder mir ein weiteres Mal  zu denken, dass ich gut daran täte, davon etwas mehr wissen zu wollen, anstatt genervt darauf zu reagieren, könnte ich mich ja durch fünf Essays lesen, um zu erfahren, was eine Literatin zu diesem Thema zu sagen hat, die bis zur Publikation ihrer »Autobiographie von Alice B. Toklas« mit ihrer Arbeit keines verdiente:

»Jeder muß sich jetzt wirklich entscheiden. Ist Geld nun Geld oder ist Geld nicht Geld«, so beginnt diese Sammlung, die miteinander nicht bloß ob ihrer Kürze eine Gute-Nacht-Lektüre ergeben: Weder handeln sie von »Literatur & Geld«, was zugegebenermaßen Albträume verursachen könnte, beginnend bei Tantiemen bis zu den zehn Sekunden der Reue nach einem Besuch in einer wohlsortierten Buchhandlung, sie handeln auch nicht von »Kinder & Geld«, was wohl jedem auf den Magen schlüge. Nicht einmal von »Erbe & Geld«, gut geeignet für tief sich eingrabende Stirnfalten, ist auf jenen Seiten die Rede.

Man kann sich Steins Gedanken also ruhigen Gewissens in den dreißig Minuten, bevor man das Licht abdreht, zu Gemüte führen: Ist Geld nun Geld oder ist Geld nicht Geld? Eine Frage, die nicht zu beantworten ist, ohne dass wir einen weiteren Inhalt hinzufügen: Das man verdient hat / das man jeden Tag zum Leben ausgibt / das man an Steuern zu zahlen hat / das der Staat ausgibt / das unsere Politiker im Budget verankern … Mit Sicherheit fielen jeder Leserin und jedem Leser noch mindestens drei oder dreißig weitere Ergänzungen ein, abhängig davon, ob ihre Einkommenssteuererklärung des Vorjahres bereits abgeschlossen ist oder sie sich noch durch einen Wust an Papier wühlen, von dem sie in den Morgenstunden noch behauptet haben, er sei wohlgeordnet:  

»Es war einmal ein König, der hieß Ludwig der Fünfzehnte. Er gab Geld aus wie sie es heute ausgeben. Er gab es einfach aus und gab es aus und eines Tages wagte es jemand dem König das zu sagen. Oh, sagte der, nach mir die Sintflut, solange er lebe würde es reichen, also sei es doch egal. Als dieser König seine Herrschaft begonnen hatte nannte man ihn Ludwig den Vielgeliebten, als er starb blieb nicht einmal mehr jemand bei ihm um ihm die Augen zuzudrücken.« (S. 5)

Mit dieser Anekdote beginnt Gertrude Stein, kommt zu dem Schluss, dass es irrelevant sei, ob es sich bei der ausgebenden Hand um diejenige eines Familienvaters handle, der Geld verdiene oder (mit Bedacht) ausgebe oder ob es eine Regierung sei, die ebenso zu wirtschaften habe, »[…] wenn es das nicht ist gibt es früher oder später ein Unglück.« (S. 7).

Der Wahrheit die Ehre: Ihre anderen Reflexionen zur Finanzpolitik mögen zwar eigenes Nachdenken darüber anregen, uns sprachlich erheitern, ansonsten aber – naja. Schweigen wir lieber. Jedenfalls können wir uns danach fragen, ob Geld wirklich des Nachdenkens wert ist oder ob wir über Geld nur nachdenken, weil andere es auch tun, wir wollen ja nicht als leichtfertig gelten, nicht wahr? Ich persönlich finde, es ist ein enervierendes Thema voller Langeweile, schließlich ist Geld nichts als bedrucktes Papier, nötig für ein Dach über dem Kopf und ein Essen im Bauch; und dasjenige, welches wir für ein Buch ausgeben, ist mit Sicherheit besser investiert als so manch anderer Kauf, den wir tätigen, weil wir glauben, es müsste sein. Schließlich besteht dabei jedes Mal die Chance, einen treuen und bereichernden Freund für unser ganzes Leben auf jenen Seiten zu finden. 

 

PS:

Wer Knobeleien in Magischen Quadraten liebt, wird sich über deren Existenz in diesem Essay-Band freuen. Mir gefiel vor allem auch die stimmige Covergestaltung von Horst Hussel. Sie zeigt seine Übermalung – »o. T.«– einer Reichsbanknote im Wert von 100 Mark aus dem Jahr 1920, geschaffen im Jahr 2010. Mal ganz davon zu schweigen, dass die fadengebundenen Hefte der »Friedenauer Presse-Drucke« so oder so ein Genuss und eine Freude sind!

 

Quelle:

Stein, Gertrude: Geld. Berlin: Friedenauer Presse 2004.